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Mittwoch, 14 April 2021 10:00

Der „lange“ Weg zur EXPO 2000 – im Gespräch mit Sepp Heckmann

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Dass der Weg zu einer Weltausstellung lang ist, kann er nur bestätigen: Sepp Heckmann war von Anfang an bei der Konzeption und Planung der EXPO 2000 in Hannover dabei. Der ehemalige Messechef ist nicht nur der „Vater“ der EXPO-2000-Idee, sondern auch immer noch einer ihrer größten Fans.

Durch den Lockdown und unseren neuen E-Mail-Newsletter kam Heckmann dazu, sich auf der Website des EXPOSEEUM umzusehen. Hierbei fiel ihm unser Blog mit dem Artikel über die Bewerbung Hannovers zur Weltausstellung auf, zu welchem er direkt Anmerkungen hatte…

Von der Idee zum Konzept

Die Idee zu einer Weltausstellung auf deutschem Boden entstand 1987, genauer gesagt am 27. Mai 1987. An diesem Tag lud die damalige niedersächsische Finanzministerin und Aufsichtsratsvorsitzende der Deutschen Messe AG zu einem Abendessen in das Gästehaus der niedersächsischen Landesregierung ein. Auch Heckmann war an diesem Abend anwesend.

Als Vorstandsmitglied wusste er, wie es um den Messestandort Hannover gestellt war: „Das Messegelände in Hannover war schon immer etwas besonders, aber es gab viele Standortnachteile, die mit der Zeit immer sichtbarer wurden. Da war zum einen die Nähe zur Zonengrenze, zum anderen aber auch die schlechte Infrastruktur. Um Grundsätzliches zu verändern, war eine große Idee gefragt – am besten zum Jubiläum der Messe im Jahr 1988 oder 1998.“

Aus diesem Gedanken erwuchs dann an diesem Abend in der Lüerstraße die Idee einer Weltausstellung und Heckmann trug seine Idee vor. Es wurde aber erst einmal still zu diesem Thema und man fragte sich, ob die Idee einer Weltausstellung in Hannover wohl doch ein bisschen hochgegriffen war, bis Heckmann einen Brief von Birgit Breuel persönlich erhielt. Zwei Monate nach dem Abend in der Lüerstraße schrieb Frau Breuel, dass sie die Idee einer Weltausstellung in Hannover empfiehlt aufzugreifen.

So setzte sich Heckmann in den kommenden Monaten daran, eine Grundidee mit dem bis heute bekannten Leitthema „Mensch – Natur – Technik“ auszuformulieren und weiterzuentwickeln. „Ich hatte damals keine Ahnung, was eine Weltausstellung eigentlich ist“, gesteht Heckmann ein, „aber ich habe recherchiert und mich informiert.“

Zu seiner Vorbereitung gehörte auch eine Reise zum B.I.E. in Paris, um noch einige Grundsatzfragen zu klären. Beim B.I.E. half man Heckmann und gab noch einige Hinweise: „Eine Weltausstellung, so wie wir sie geplant hatten, wäre für 1998 nicht möglich gewesen. Der Grund war der neue Fünf-Jahres-Rhythmus der großen Weltausstellungen.“

Viel wichtiger war aber laut Heckmann eine andere Aussage: „Als wir fertig waren, kam die Chefin des Weltausstellungsbüros Madame Dufrène zu uns. Sie fragte uns, ob wir denn wissen, gegen wen wir hier eigentlich antreten. Dann kam die Aufzählung: Hong Kong, Paris, Rio de Janeiro, Maimi, Venedig, Toronto...“

Und dann soll sich das kleine „Hanovre“, wie die Stadt der EXPO 2000 auf Französisch heißt, weiter bewerben? Ganz klar stand für Heckmann fest, dass es weitergehen muss, denn es gab eine kleine Hoffnung. Madame Dufréne vom Weltausstellungsbüro erklärte nämlich, dass sich viele Städte voraussichtlich von allein zurückziehen werden. Hannover müsse nur lang genug durchhalten.

Zustimmung auf vielen Ebenen — aber auch Konkurrenz

Doch mit seiner Idee für eine Weltausstellung auf deutschem Boden war man in Hannover nicht allein. Der Gedanke der Weltausstellung lag in der ganzen Republik in der Luft, erinnert sich Heckmann. Neben Hannover hatte man, Wochen später, auch im Ruhrgebiet die Idee, eine Weltausstellung als Revitalisierungsmaßnahme zu nutzen, aber auch im geteilten Berlin sollte eine EXPO als „Brücke zwischen Ost und West“ dienen. Doch Hannover war im Vorteil, da man sich bereits früh eine breite Zustimmung gesichert hatte:

"Um sich für eine EXPO zu bewerben, muss man ja nicht nur die eigene Landesregierung überzeugen, sondern auch die anderen Ministerpräsidenten und die Bundesregierung. Frau Breuel hatte bereits mit dem damaligen Ministerpräsidenten Albrecht gesprochen, welcher dann Helmut Kohl persönlich von der Idee bei einem Frühstück überzeugte. So folgten dann nach und nach alle weiteren Ministerpräsidenten."

Nachdem man diese erste Hürde genommen hatte, folgte die Präsentation der ersten Einladungsbroschüre. Das „Büchlein“ hat Heckmann immer noch und zeigt stolz, was die Besonderheiten der Bewerbungen waren: „Man muss sich nur einmal die Themen ansehen, von denen auch noch heute viele brandaktuell sind. Die Weltausstellung war damals ihrer Zeit voraus.“

Die Bewerbung kam dennoch scheinbar gut an, denn es folgten Besuche der Delegationen des B.I.E. nach Hannover — auch wenn es teilweise zu Zusammenstößen und Auseinandersetzungen mit aggressiven Expo Gegnern kam.

20 zu 17?!

Dann war es so weit. Die kleine Messestadt an der Leine hielt durch — ganz im Gegensatz zu einigen der Mitbewerber. Am 14. Juni 1990 kam es zur Abstimmung zwischen Toronto und Hannover.

Über 30 Jahre später kann sich der EXPO-Initiator noch lebhaft an den Tag erinnern: „Himmel und Hölle lagen damals so dicht beieinander. Schon bei der einzelnen Länder-Präsentationen hätte ich am liebsten meinen Koffer gepackt, da die Simultanübersetzung bei Frau Breuel nicht erfolgte.“ Doch er hatte eine spontane Eingebung und ergriff die Initiative: Er ging vor zu Frau Breuel und empfahl ihr, die Präsentation auf Englisch zu halten. Dann folgte die Vergabe der Stimmen. Jedes Mitglied steckte dazu seinen Stimmzettel in eine verschlossene Box.

Die Auszählung führt dann das Präsidium durch — unter den Augen der anwesenden Botschafter und Bewerber. Zu Beginn sah es auch nicht gut aus für Hannover. Kurz vor dem Ende der Auszählung stand es 20 zu 17 Stimmen für Toronto. „Ich dachte mir nur, ‚das war’s jetzt‘ und packte meinen Koffer“, sagt Heckmann. Aber dann ging es erst los:

"Wir hörten nur noch Hanovre, Hanovre, Hanovre! Ein Freudentaumel, obwohl Frau Breuel noch etwas sauer auf mich war, da ich so schnell aufgeben wollte."

Drei Jahre lang hatte man auf diesen Moment hingearbeitet. Drei Jahre lang hatte man nicht aufgegeben. Die Belohnung für dieses Durchhalten war diese erste und einmalige Weltausstellung auf deutschem Boden.

Auch für Sepp Heckmann ist die EXPO 2000 nach wie vor ein besonderes Ereignis, welches bis heute nachwirkt. Auf die Frage, was die EXPO dabei für ihn so besonders macht, sagte er nur: „Die EXPO 2000 war nicht nur ein globaler Informationsaustausch und Treffpunkt, sondern auch einer der größten Umweltkongresse in der Geschichte, da sie drei Themenbereiche ‚Mensch – Natur – Technik‘ miteinander verband und hierzu Lösungen suchte…“

Gelesen 2964 mal Letzte Änderung am Mittwoch, 14 April 2021 09:17
Maurice Semella

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